Expertenrat

Wir möchten ein Reiheneckhaus von einem Bauträger erwerben. Wie kann ich das vorgesehene Lüftungskonzept und den Feuchteschutz prüfen lassen?

Unser Experte aktion pro eigenheim antwortet

Frage von Stephan W. am 09.05.2018 

Wir möchten ein Reiheneckhaus von einem Bauträger erwerben. Da ich selbst in der Immobilienbranche tätig war und Physiker bin, hat es mich sehr verwundert in der Baubeschreibung zu lesen, dass der Feuchteschutz allein durch Infiltration erreicht wird und daher keine mechanische Lüftung nötig ist.  Zitat: "Bei der Erstellung des Lüftungskonzeptes nach DIN 1946 - 6 wird eine Lüftung zum Feuchteschutz ohne Lüftungstechnische Maßnahmen ausschliesslich über die Infiltration der Gebäudehülle nachgewiesen. Andere Lüftungsstufen der DIN 1946 - 6 werden ausdrücklich nicht vereinbart."  Man sollte nun noch erwähnen, dass die Außenhülle aus einem Kalksandstein plus Styropor Dämmung besteht. Dicken sind leider nicht genannt, aber wenn man nach den bemaßten Grundrissen geht, dann sind es 15 +15 cm.  Meines Wissens nach also ein Gebäudehülle mit recht niedriger Infiltration, wenn alles entsprechend dem Stand der Technik installiert wird.  Ich habe mich jetzt etwas eingehender mit der DIN 1946-6 beschäftogt und bin dabei auf Standardwerte für die natürliche Infiltration gestoßen. Diese sollte in der Regel 1,5 bzw 1,0 /h betragen.  Wenn ich mir nun aber den Energieausweis anschaue, so wurde dieser entsprechend den Verfahren nach DIN V4108-6 und DIN V 4701-10 berechnet und erreicht mit 49,9 kWh/m²a bzw 0,33 W/(m²K) gerade so die Anforderungen mit 50,7 kWh/(m²a) Primärenergiebedarf bzw 0,4 W/(m²K) für die energetische Qualität der Gebäudehülle. Ok die energetische Qualität der Gebäudehülle sieht gar nicht so schlecht aus, aber das lässt mich erstmal vermuten, dass diese recht luftdicht sein wird.  Wie dem auch sei. Ich habe gelesen, das für die Berechnung nach DIN V 4108-6 eine Luftdichtigkeit von 0,7 angesetzt werden kann. Da die natürliche Infiltration einen signifikanten Anteil an der benötigten Heizenergie ausmacht bei den heutigen Neubauten nach EnEV 2016, passt das für mich nicht wirklich mit dem Lüftungskonzept zusammen. Meinem Gefühl nach kann der real erstellte Bau entweder die Anforderungen für den Feuchteschutz oder aber für den Energiebedarf einhalten, aber nicht beides gleichzeitig.  Wie sehen Sie die Sache und welche Möglichkeiten habe ich hier als Käufer die Sache sauber über die Bühne zu bekommen, bzw an wen muss ich mich wenden, um das stichhaltig prüfen zu lassen, damit der Bauträger entsprechende Lüftungsmaßnahmen auf SEINE Kosten einplant.

Antwort von aktion pro eigenheim 

Die Antwort gab Energieberater Frank Nowotka:

Ich sehe keinen Widerspruch darin, dass ein modernes energieeffizientes Gebäude einerseits eine möglichst dichte Gebäudehülle aufweisen sollte, andererseits durch geeignete Maßnahmen zu sichern ist, dass ein hygienisch begründeter Mindestluftwechsel stattfindet. Dieser Mindestluftwechsel kann aber meiner Meinung nicht auf Infiltration basieren, denn Lüftung allein durch natürliche Druckunterschiede zuzulassen würde bedeuten, dass sich an vielen Tagen des Jahres überhaupt kein nennenswerter Luftaustausch vollzieht (z.B. bei hohen Temperaturen und Windstille). Hygienischer Luftwechsel hat zwar wesentlich, aber nicht ausschließlich mit der Reduzierung der Raumluftfeuchte zu tun. Er orientiert sich u.a. auch an der Einhaltung einer unkritischen CO2-Konzentration, der Minimierung von VOC, so z.B. von Lösemitteldämpfen aus Haushaltchemikalien. Insofern ist die Beschaffung von frischer Luft ein wesentliches Kriterium für gesundes Wohnen. Das realisiert sich auch mit einem Minimum an Heizenergieaufwand, wenn die bauphysikalischen Rahmenbedingungen passen (wie dass bei Ihnen wohl der Fall sein könnte) und eine geeignete Lüftungsmaßnahme gewählt wird. Ich halte in diesem Zusammenhang sehr viel von einfachen Lüftungsanlagen mit Abluftventilator und Zuluftventilen im Fensterrahmen, deren Öffnungsquerschnitte sich der relativen Raumluftfeuchte anpasst. So wird der Raum stärker gelüftet, der eine höhere Raumluftfeuchtigkeit aufweist. Die Abluft wird den Sanitärräumen und der Küche entnommen. Einfach und wirkungsvoll, keine Geräusche, keine Lüftungsrohre im Zuluftbereich. So erhält der Nutzer frische Luft von außen und nicht durch problematische Infiltrationswege (z.B. Dämmstoffe, Kellerluft). Nähere Informationen enthält die Beschreibung des Lüftungskonzeptes meines Wohnhauses. Ich finde übrigens nicht, dass Sie eine so wichtige Sache wie gesunde und frische Luft einem Bauträger überlassen sollten, dessen Wirken auf eine anders geartete Zielstellung gerichtet ist.

Prüfen lassen können Sie das Lüftungskonzept zum Beispiel von einem unabhängigen Bausachverständigen.

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